Über 200 Glöckler verwandeln Stainach am 5. Jänner in ein Lichtermeer.
Gelebtes Brauchtum mit Herz
Sie schlüpfen in der Weihnachtszeit in mystische Rollen, backen für den guten Zweck und sorgen für leuchtende Augen: Mitglieder des Steirischen Seniorenbundes, die mit ihrem Engagement das kulturelle Erbe weitertragen und das soziale Gewissen in den Regionen schärfen.
Wenn Waltraud Ettlmayr über den Sommer spricht, dann meint sie nicht die Jahreszeit, sondern ihre Paraderolle. Seit rund 20 Jahren verkörpert sie im Öblarner Krampusspiel die Figur des „Sommers“, der im Streitgespräch dem Winter weichen muss. „Ich freue mich jedes Jahr darauf“, erzählt die rüstige Dame. Das Spiel, basierend auf Texten von Paula Grogger und seit 2014 immaterielles UNESCO-Weltkulturerbe, ist ein Paradebeispiel für gelebte Tradition. Am Marktplatz, vor der Kulisse einer Bauernstube, wird Geschichte lebendig. „Das Schöne ist der Zusammenhalt“, schwärmt Ettlmayr. Hier fürchten sich Kinder nicht vor den Krampussen mit ihren traditionellen Holzmasken, sondern staunen über Schab, Habergeiß und die Gemeinschaft, die dieses Schauspiel trägt.
Schönperchten
Szenenwechsel nach Stainach. Auch hier, am Ende der Raunächte, sind es Leute wie der 82-jährige Stefan Strimitzer, die dabei unterstützen, Licht in die Dunkelheit zu tragen. Beim berühmten Glöcklerlauf am 5. Jänner vertreiben die weißgewandeten Gestalten mit ihren bis zu 20 Kilogramm schweren, leuchtenden Kappen die bösen Geister. „Jeder fühlt sich verpflichtet, das alte Winteraustreiben zu unterstützen“, sagt Seniorenbund-Ortsgruppenobmann Strimitzer, der seit seiner Schulzeit mit dem Brauch verwurzelt ist. Über 200 Glöckler verwandeln den Ort in ein Lichtermeer – ein mächtiges Symbol für den Sieg des Lichts über die Finsternis.
Doch Brauchtumspflege geschieht oft auch im Stillen und mit viel handwerklichem Geschick. In Köflach beginnen die Vorbereitungen für den Advent schon Wochen vorher. Da werden Socken gestrickt, Laternen gebastelt und Unmengen an Keksen gebacken. Die Ortsgruppe des Seniorenbundes widmet die Erlöse stets karitativen Zwecken wie alleinerziehenden Müttern. „Helfen, wo Hilfe nötig ist“, lautet das Credo. Es ist dieses christlich-soziale Denken, das für die Köflacher Senioren den wahren Geist der Weihnacht ausmacht.
Dass Schenken die größte Freude ist, weiß man auch in Fehring. Dort schlüpft der Nikolo nicht für die Kleinen, sondern für die Alten in das Bischofsgewand. Pamela Ronner vom dortigen Seniorenbund berichtet von berührenden Szenen im Pflegeheim Sonnenhof. Wenn der Nikolaus, begleitet von Musik und Geschichten, die Sackerl verteilt, beginnen die Augen der betagten Bewohner zu glänzen – fast so wie in ihrer eigenen Kindheit. Auch bettlägerige Patienten werden besucht; ein Akt der Menschlichkeit, der Generationen verbindet.
Manchmal sind es auch ganz spezielle Figuren, die vor dem Vergessen bewahrt werden. In Hatzendorf zieht Gottfried Amtmann seit 1998 im Rhythmus von fünf Jahren im Advent als Nachtwächter „Gottfried von Stangh“ seine Runden. Was als Idee zum Theaterjubiläum begann, ist heute Kult. Unterstützt wird er seit einigen Jahren von „Kräuterweib“ Daniela. Gemeinsam hüten sie nicht nur das Dorf, sondern begleiten Wanderer am Silvestermorgen zum letzten Sonnenaufgang des Jahres.
Pudelmuata
Ebenso urig geht es in Naas bei Weiz zu. Dort ist Grete Ostermann als eine von rund 12 ständigen „Pudelmuatan“ unterwegs. Seit 40 Jahren pflegt sie diesen Brauch in der letzten Raunacht vor Dreikönig. Mit Kopftuch, Schürze und Birkenbesen werden böse Geister vertrieben und das Alte hinaus sowie das Glück hineingekehrt, während Nüsse und Süßigkeiten aus ihrem Korb auf den Boden „pudeln“.